Steckbrief: Brakteat (B-Typ) von Nebenstedt (I) (Niedersachsen, D)

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Inschrift:   glïaugiʀ(u) | ïu(2?)ʀ(0-1?) |
Standardausgabe:   KJ133; IK128
Archäologische Datierung:   400-500
Aufbewahrungsort:   Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Fachbereich Archäologie (Inv.-Nr. 7544)
Kommentar:   Fundort: Der Brakteat wird auch unter den Bezeichnung "Dannenberg" und "Grotefend Nr. 1" behandelt. Archäologische Datierung: Der Brakteat stammt aus einem Hort mit insgesamt 11 Brakteaten. Aufgrund der im Befund enthaltenen D-Brakteaten kann das Ensemble erst im 6. Jh. niedergelegt worden sein, obgleich die enthaltenen B-Brakteaten bereits aus dem 5. Jh. stammen dürften (Axboe 2002, 32).
Archäologischer Text:  

IK 128 Nebenstedt (I)-B

1. Fundgeschichte und Fundkontext
Der Brakteat IK 128 Nebenstedt (I)-B ist einer von insgesamt vier Brakteaten mit Runeninschrift aus dem Moorgebiet bei Nebenstedt, Gemeinde Dannenberg, Landkreis Lüchow-Dannenberg, Niedersachsen (früher auch unter der Fundortbezeichnung "Dannenberg" beschrieben). Der Fundplatz gehörte zu einem Sumpfgebiet, das regelmäßig von der Elbe und der Jeetzel überflutet wurde. 1859 wurden in dem Moorgebiet, der Gemeindeweide von Nebenstedt, insgesamt 11 Goldbrakteaten gefunden. Sie lagen zusammen mit mehreren aufgrund der starken Korrosion unbestimmbaren Eisenobjekten dicht beieinander. Es handelte sich um fünf B-Brakteaten (zwei davon mit Runeninschrift; vgl. IK 129,1 Nebenstedt (II)-B), die mit drei verschiedenen Modeln produziert wurden, zwei modelgleiche F-Brakteaten mit Runeninschrift (vgl. IK 309 Nebenstedt (III)-F) und vier ebenfalls modelgleiche D-Brakteaten. Die Eisenobjekte sind an der Luft zerfallen, es handelte sich jedoch möglicherweise um Teile eines Pferdegeschirrs (Mackeprang 1952, 179f. [Nr. 323]; Axboe et al. 1985, 223 [IK 128]). Der Brakteat befindet sich derzeit im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover, Fachbereich Archäologie (Inv.-Nr. 7544).

2. Inschriftobjekt
Der B-Brakteat (Durchmesser: 28,7 mm, Gewicht: 3,4 g) ist leicht verbeult, das Bildfeld ist abgenutzt, die Öse war bereits einmal neu angesetzt worden. Im Zentrum des Brakteaten ist eine Männerfigur in voller Gestalt mit sehr großen, kreisrunden Augen und hoch stehender Frisur dargestellt, die rechte Hand deutet zum Kinn bzw. zum weit geöffneten Mund. Die linke Hand hingegen liegt auf der Scham und zwischen den Oberschenkeln. Die Beine und der Oberkörper sind sehr stark verkürzt dargestellt. Die freien Flächen zwischen der Figur und der Inschrift sind mit insgesamt acht großen Punktkreisen gefüllt. Eng verwandt, jedoch nicht modelgleich, ist der Brakteat IK 129,1 Nebenstedt (II)-B (Axboe et al. 1985, 223f.).

3. Anbringung und Zustand der Inschrift
In den Segmenten 1/2/4 (vor der Menschenfigur) und 3 (hinter der Menschenfigur) befindet sich jeweils ein Runenkomplex. Bei dem ersten Komplex ist zwischen Runenzeichen und Rand des Brakteaten eine mehrfach unterbrochene Punktlinie noch schwach zu erkennen (Axboe et al. 1985, 224; Düwel 2002f, 32; Nowak 2003, 520-522).

4. Verbreitung und Datierung
Der Brakteat ist der Formularfamilie B4 nach Pesch (2007, 112-116) zuzuordnen, die einen Verteilungsschwerpunkt auf Fünen (vgl. IK 13,1 Allesø-B, IK 13,2 Bolbro (I)-B, IK 13,3 Vedby-B) und einen im Raum Nebenstedt (vgl. IK 129,1 Nebenstedt (II)-B) besitzt. Die meisten Funde stammen von dem Zentralplatz bei Odense auf Fünen, dennoch vermutet Pesch (2007, 113f.) den Ursprung des Konzepts eher im Raum um Nebenstedt oder in Altthüringen. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, zeigt die Qualität der Kopien (und vor allem der Runeninschrift auf IK 128) dennoch die Souveränität der Hersteller (Pesch 2007, 113f.). Aufgrund der im Befund enthaltenen D-Brakteaten kann das Ensemble erst im 6. Jahrhundert niedergelegt worden sein, obgleich die enthaltenen B-Brakteaten bereits aus dem 5. Jahrhundert stammen dürften (Axboe 2002, 32).  

5. Kulturhistorische/Sozialgeschichtliche Interpretation
Der Befund ist im Kontext der skandinavischen Goldopfertradition zu sehen (Axboe 2002, 32). Bei den niedergelegten Objekten handelt es sich zweifellos um sehr wertvolle Stücke, die als Amulett getragen wurden, also eine religiöse Funktion innehatten (Düwel 1977b, 94; Pesch 2005, 8f.; Pesch 2007, 381-391). Schon die weite chronologische Spanne, aus der sich der Hort zusammensetzt, weist auf die Bedeutung und lange Nutzung der Brakteaten. Pesch (2005, 9; 2007, 113f.) schließt aus dem Hortfund sogar auf einen möglichen, bislang nicht erkannten Zentralort im direkten Umfeld von Nebenstedt, in dem Fernhandel und Herrschaftseliten angesiedelt gewesen sein könnten.

Literatur
Axboe 2002; Axboe et al. 1985; Düwel 1977b; Düwel 2002f; Mackeprang 1952; Nowak 2003; Pesch 2005; Pesch 2007.

Annette Siegmüller
(Stand: 2008)

 

 

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